Recht kurzfristig wurde der wohl letzte neue Länderpunkt für 2005 in Angriff genommen und so starteten das Sprachrohr Korthose, Schwanzkopp, der einarmige Bandit und meine Wenigkeit Sonntag morgen in MS. Ziel: Die Metropole Dudelange im schönen Luxemburg, dem Fussballmekka mitten in Europa. Wohl kaum irgendwo anders auf diesem Kontinent sind die Zuschauer so fanatisch und gewaltbereit wie im kleinen Herzogtum zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich. Das durften wir uns natürlich nicht länger entgehen lassen und so hatten wir uns den Kracher des 11. Spieltages heraus: F91 Dudelange – Rumelange US, Tabellenführer gegen den 11. der 12er Liga. Die Namen klingen nicht nur verwandt, die Leute sind es vermutlich ebenfalls („Eure Eltern sind Geschwister!“ stimmt hier vielleicht wirklich mal …), denn Luxemburg hat nicht mal 500.000 Einwohner zu bieten.
Auf dem Hinweg wurde nur kurz bei BurgerKing eingekehrt und der neue ExtraLong BBQ-Burger getestet und für äußerst gut befunden. Stiftung Burgertest bestanden! Die Schnelligkeit der Bediensteten ließ jedoch so zu wünschen übrig, dass hier kaum von „fast“food die Rede sein konnte und unseren Zeitplan ein wenig unter Druck setzte. Also Fullspeed durchs schöne Moseltal und ab über die Grenze. Da wir nicht aussahen, als wollten wir größere Mengen Bargeld ins Steuerparadies schaffen wurden wir auch direkt durchgewunken. In jedem anderen Land wäre es wohl kritisch geworden wenn man noch 35 Minuten bis Spielbeginn hat aber vorher noch das komplette Land durchqueren muss. In Luxemburg jedoch zum Glück alles möglich.
Im beschaulichen Dudelange (18.000 Einwohner und damit die 4. größte Luxemburgs) angekommen hatten wir noch knappe 10 Minuten Zeit das Stadion zu finden. Sollte eigentlich kein Problem sein, sicherheitshalber wurde jedoch ein Einheimischer gefragt. Dieser war gerade dabei die Familienkutsche zu beladen und sprach zum Glück ganz passabel Deutsch und nicht Luxemburgisch (ein moselfränkischer Dialekt des Hochdeutschen, wen’s interessiert) was eher nicht so pralle zu verstehen ist. Unser Führer setzte sich dann mal direkt vor uns und führte uns bis vor’s Stadion. Das nenn ich mal Service!
Gezählte 35 Schritte vorm Haupteingang geparkt und ab dafür. Vorm Eingang wurden auch schon die gefürchteten Fans gesichtet. In Mobs von 2-3 Personen, unauffällig gekleidet und guckend als ob sie keiner Fliege was zu leide tun könnten standen sie an der Kasse. Wohl nur einen günstigen Moment abwartend den Ground zu stürmen. Wir ergatterten also schnell eine Eintrittskarte (oder ein billet d’entree) und flüchteten uns in die vermeintliche Sicherheit des Stadions.
Ein für Luxemburgische Verhältnisse recht feines Teil. Eine überdachte Haupttribüne und eine Gegengeraden mit ca 10-12 Stufen. Diese jedoch so steil, dass einem oben Angst und Bange werden konnte. Die berüchtigten Dudelange Supporter hatten es sich auf der Gegengeraden mit 4 Zaunfähnchen („Pride of the South“ und allerlei Klimmbimm) sowie 2 Schwenkern, einem Doppelhalter und nem Megafon bequem gemacht. Das Megafon war auch bitter nötig, damit der Capo seinen schwätzungsweise 8-9 Mann (und Frau) starken Mob unter Kontrolle halten konnte. 2 Reihen vor uns machte sich der örtliche Pornostar breit und schmiss eine Runde Bier nach der nächsten. Wir gingen leider leer aus, hatten dafür aber das Vergnügen seine Sonnenbank gezeichnete Schmiege die ganze Zeit begutachten zu dürfen, stand er doch konsequent mit dem Rücken zum Spielfeld. Wohl so ne Art Alt-Capo der aus seinen Gewohnheiten nicht ausbrechen kann.
Nach 75 Minuten wollten wir unser Glück, bis hierhin alles unbeschadet überstanden zu haben nicht weiter strapazieren und machten uns beim Stand von 1:1 davon in sicherere Gefilde: Frankreich.
Unser Glück kaum fassen könnend, dass wir diese Hölle heile überstanden hatten ging es unter lautstarkem schwedische-Möbelhäusersupport von der Rückbank über die nächste Grenze.
Ziel des Ganzen war die 18.00 Uhr Partie Nancy gegen Nizza. Von Nizza versprach ich mir einiges, hatte ich sie doch Anfang des Jahres zuhause gegen Paris gesehen und war ziemlich begeistert. Naja manchmal kommt es anders …
Einigermaßen knapp kamen wir in Nancy an und rasselten direkt in einen etwas größeren Stau. Einzige Möglichkeit: Karre abstellen und den letzten Kilometer rennen. Ungefähr zur 10. Spielminute kamen wir endlich an … doch die einzigen Eintrittskarten die noch zu haben waren in einer Preiskategorie von 35 Euro entsprach weder unseren Vorstellungen noch unserem Budget. Guter Rat war in diesem Fall billig und nach etwas Diskutieren konnte das Stade Marcel Picot kostenneutral geentert werden. Die Strafe folgte sogleich: wir wurden in die Pressebox verbannt. AHHH!! Fußball hinter ner Glasscheibe das eher an Fußball im extra-großen BreitbildTV erinnerte. Grauenvoll und erklärt sogleich, wieso Reporter so viel Scheiße über Fanszenen verprassen. So ist das nun mal, wenn man von der Stimmung bloß durch Hörensagen erfährt. Wir kamen gerade rechtzeitig um ein Transpi zu sehen, mit dem die Einheimischen ihren Gästen Respekt zollten für 20 Jahre Ultramanie. Vorm Gästeblock hing auch das ganze Spiel über eine 1985-2005 Fahne der Brigade Sud Nice. Der Support auf Heimseite beschränkte sich auf etwa circa 150 Eumels, der Rest saß brav auf seinen Sitzen und fing ab und an mal an etwas zu klatschen. Neben dem Gästeblock hatte sich irgend nen total sinnbefreiter „Internetfanclub“ breit gemacht. Wobei „breit gemacht“ ein wenig übertrieben ist. Im Prinzip standen 2 Reihen Kinder, dahinter saßen dann wohl die Eltern. Was den Capo (mit Megafon … da war der Typ in Dudelange ja schon sinnvoller) nicht davon abhielt Oberkörperfrei auf seinem Podest rumzukaspern. Pass du nur auf, bis du nach Hause kommst!
Kurz vorm Halbzeitpfiff wurd’s dann nochmal hektisch als ein Spieler der Heimtruppe vom Feld geschickt wurde. Doch wer jetzt auf Stimmungstechnische Extase gesetzt hatte sah sich enttäuscht. Das Operetten Publikum, bei dem so mancher Bundesligist vor Neid erblasst wäre, konnte sich selten zu mehr als ein wenig rhythmischem Geklatsche hinreißen lassen. In den Blöcken 14 und 15 in denen die Südfranzosen untergebracht waren wurde mit Wiederanpfiff eine „Onore ai Diffidati“ (Ehre den Verbannten / Stadionverbotlern) Fahne über die Brigadefahne gehisst und ebenfalls jeglicher Versuch Stimmung zu machen eingestellt. Warum, wieso, weshalb – man weiß es nicht.
Vielleicht war es der total sinnlose Auflauf der Staatsmacht hinter dem Gästesektor, der den Nissardi die Stimmung versaut hatte. Auf 150 Gäste kamen laut Angaben des Sprachrohrs der ein wenig Vor-Ort-Recherche betrieben hatte knappe 3 Hundertschaften. Zustände wie in Emden.
Einen Lichtblick möchte ich aber natürlich nicht unter den Tisch fallen lassen und das waren die Stewardessen im Stadion. Das konnte durchaus über das beschissene Spiel und die nicht vorhandene Stimmung hinwegtrösten. Der Schwanzkopf verliebte sich mal direkt in eine die aussah als ob sie ohne Hilfe sicherlich keine 5 Meter geradeaus laufen könnte, geschweige denn überhaupt wusste wo sie hier gerade war und was sie da tat.
Abpfiff, Kommando such-das-Auto und auf die Autobahn. Dort wurde ich dann noch von übelsten Musikalischen Ergüssen von Wolfgang Petry, Mickie Krause und Konsorten verwöhnt. Nur noch getoppt von unserem einarmigen DJ, der sämtliche Lieder nach 3 Sekunden mit Namen und Interpreten nennen konnte. Das lässt so einiges auf die Landjugend schließen … bin ich froh, dass ich in Münster aufgewachsen bin und nicht jedes Wochenende Zeltpartyhopping betreiben musste!
Nach 1066 Kilometern, mit einem neuen Länderpunkt im Gepäck (ein Mitreisender durfte sogar gleich 2 Kreuzchen machen) wieder im wunderschönen Münster angekommen und einigermaßen todmüde in die Kissen gekrochen.