„Bukarest? Was wollt ihr denn DA?“ so die Frage des Zöllners am Flughafen. Und schaute dabei, als wisse er ganz genau, dass billige Frauen und günstiger Alkohol der Grund seien. Aber was will man solchen Leuten sagen? Dass man wegen eines Fußballspiels hinfliegt? Oder ganz einfach, dass man bisher noch nicht da gewesen ist und alleine das schon ein Grund für so eine Reise sein müsste?
Nach knapp 3 Stunden Flugzeit ging unser Wizzair Vogel dann auch in Landeanflug auf die rumänische Hauptstadt mit ihren etwa 2,6 Mio Einwohnern nieder. Unten erwarteten uns LKW voll mit Schnee, fast zwei Meter hohe Schneewehen am Rande der Startbahn – na bravo, raus aus’m Schnee – rinn innen Schnee! Aber das schreckt uns natürlich nicht ab, nach Geldwechsel (für einen Euro gibt es etwa vier Lei und bereits bei einem Nennwert von ca. 25 Eurocent unverwüstliche Plastikscheine) und Taxisuche auf dem direkten Weg zum ersten anvisierten Spiel. Über Straßen, die sich rund um die Schlaglöcher gebildet hatten und an Plattenbauten und Hundegangs vorbei ging es zum kleinen Stadion von Juventus Bucuresti, wo am Freitag um 15 Uhr gespielt werden sollte. Sollte. Leider lag eine dicke Schneeschicht auf dem Rasen, so dass das Spiel am Morgen abgesagt werden musste. Wir wurden aber freundlich eingeladen doch in der kommenden Woche zum Nachholspiel zu kommen. Ich werd‘s mir überlegen …
Danach dann hatten wir etwas mehr Zeit und konnten kostensparend mit Bus und Metro den Weg fortsetzen um erst mal unser Gepäck im Hostel zu verstauen. Während sich hier die Reisegruppe aufteilte und sich zwei ins 4-Sterne Hotel zurückzogen, ging es für uns übrige drei ins Hostel mit dem vielversprechenden Namen „Funky Chicken“. Und tatsächlich prangte am Eingang unserer 8-Euro Herberge ein Logo mit einem sympathischen Hühnchen, das aussah als sei es kurz zuvor vom Auto überfahren worden. Die Bude war so, wie man sich ein Hostel in diesem Preissegment wohl vorstellt, aber zumindest sauber und vor allem eines: Warm! Wenn es eine Sache gibt, die in Rumänien scheinbar im Überfluss vorhanden ist, dann sind es wohl Heizungen. Wenn die selbige nur zwei Stufen runter gedreht worden wäre, hätten wir hier wohl auch für 5 Euro die Nacht bleiben können und hätten beweisen können, dass menschliches Leben auch unterhalb von gefühlten 780 Grad Celsius möglich ist. Dieser totale Heizwahn sollte sich aber später auch in Restaurants, Bussen uvm. wiederholen.
Nach einer Stärkung im Restaurant (für’s Essen, ein großes Bier pro Person angenehme 3,50 Euro) ging es dann zurück zum Gara de Nord, dem größten der städtischen Bahnhöfe, um von dort zum Stadion von Steaua Bukarest zu kommen, die das Abendspiel um 20:30 Uhr zugelost bekommen hatten. Vorbei an sehenswerten Bauten wie dem Haus des Volkes, dem Parlamentspalast (das nach dem Pentagon in Washington DC zweitgrößte Gebäude der Welt) und anderen ging es raus nach Ghencea wo das Steaua Stadion steht.
Erstmal etwas zum Verein Steaua Bucuresti: Bereits seit geraumer Zeit gehen die Ultras und Fans hier auf die Barrikaden. Grund ist der Präsident und Mäzen Gigi Becali, welcher auch für seine Partei PNG-CD im Europäischen Parlament sitzt. Zu seinen Lieblingsthemen gehören neben der Hetze gegen Homosexuelle die Leugnung des Holocausts in Rumänien und grundsätzlich alles, was man populistisch-vulgär in TV-Kameras rufen kann. Wegen diverser Ermittlungsverfahren und kurzzeitigem Aufenthalt in Untersuchungshaft wegen Freiheitsberaubung wurde ihm vorübergehend die Ausreise aus Rumänien untersagt, dank seiner nun jedoch politischen Immunität zumindest teilweise wieder aufgehoben. Gigi Becali gehört zu der Sorte Präsident, die vorhaben das komplette Publikum auszutauschen, den Pöbel raus zuwerfen und sich einer gehobeneren Art Zuschauer zu widmen. Von ihm stammen auch so grandiose Zitate wie „Man sollte Leute, die bei Spielen negativ auffallen doch einfach erschießen“. Außerdem hat er vor geraumer Zeit verfügt, dass im Steaua Stadion keine Musik von Queen mehr gespielt werden darf, da Frontmann Freddy Mercury bekanntlich schwul war. Des weiteren ist er nicht nur Besitzer von Steaua Bukarest, sondern gleich von mehreren Vereinen der ersten beiden Ligen, was natürlich arge Zweifel an einem richtigen Wettbewerb aufkommen lässt. Und Vereine, die er nicht besitzt, versuchte er in der Vergangenheit dann auch schon mal zu bestechen wie im Falle von Uni Cluj. Diese mussten ihr Derby gegen CFR verlieren, damit Steaua noch in die internationalen Ränge rutscht. Da vier von Gigi’s Leuten vor dem Spiel mit einem Koffer, der 1,7 Mio Euro enthielt in einem Restaurant in Cluj festgenommen worden waren, kam natürlich ein wenig Zweifel an der 0:1 Niederlage auf. Im späteren Gerichtsverfahren gab er an: „Es ist mein Geld und ich kaufe, was ich will. Sie sollten für mich Schokolade und Bonbons in Cluj kaufen“. Gerne kaufen tut er scheinbar auch neue Trainer, denn in den vergangenen 2 ½ Jahren hat er davon bereits sagenhafte 8 verschlissen.
So nun aber zurück zum Geschehen. Gigi und die Fans liegen sich also wegen verschiedenster Gründe in den Haaren, Mitte der Saison ging es dann so weit, dass sämtliche Dauerkarten aus dem Verkehr gezogen und neue zum symbolischen Preis von 1 Lei herausgegeben wurden. Allerdings nur an Leute, welche bisher keine Karte besessen hatten. Da man beim Kauf von Tagestickets jedoch seine Personalien abgeben muss, ist es nun möglich sämtliche ungewollten Fans auszusperren.
Somit erwarteten wir jetzt auch nicht das meiste, bzw. hofften zumindest auf einen gut aufgelegten Gästehaufen von Otelul Galati. Um es schon mal vorweg zu nehmen: Dieser war in der Tat ganz gut und etwa 90-100 Mann (ohne Frau) stark, kam jedoch erst zur 35. Minute im Stadion an.
Laut Verein kamen am Ende 8.000 Zuschauer – soviele waren es jedoch im Leben nicht. Auf Heimseite einige hundert in der Nordkurve (bzw. es handelt sich um ein reines Fußballstadion für knapp 29.000 Zuschauer, welches Gigi in einem kleinen Anflug von Größenwahn plant auf 60.000 aufzustocken, und somit um keine wirkliche „Kurve“), welche eine Art Friedensvertrag mit dem Präsidenten ausgehandelt hat. Man sagte zu, weniger zu randalieren und nicht mehr gegen den Mäzen zu pöbeln, wohingegen er zugestand sich weniger in Belange des Trainers einzumischen. Die Gruppe darf sich dafür wohl auch ein wenig freier entfalten, wohingegen die Jungs der Peluza Sud, welche normal neben dem Gästeblock angesiedelt sind, aus dem vorgeschobenen Grund „zu viel Schnee“ diesmal nicht in ihren angestammten Block durften und sich auf der Gegengeraden einfanden. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war offensichtlich. Während die Peluza Nord eher unorganisiert, dafür mit ein paar mehr Leuten aufwarten konnte, standen auf der Gegengeraden etwa 300-350 sehr fitte Jungs, die recht straff organisiert und mit hoher Disziplin und mit viel Emotionen ihr Ding durchzogen. Dabei wurde über fast die komplette Spielzeit gegen den Präsidenten gepöbelt, was ihnen Pfiffe von der Haupttribüne einbrachte und auch einige körperliche Auseinandersetzungen mit anderen Besuchern welche jedoch wohl ziemlich eindeutig entschieden werden konnten. Ansonsten war der Support nicht nur dank der Ähnlichkeiten der Sprachen sehr italienisch angehaucht und wenig „typisch Ostblock“. Viel Bewegung, recht melodische Gesänge wobei leider keine einzige wirklich unbekannte Melodie gehört werden konnte. Die Jungs der Nord konnten dennoch auf jeden Fall gefallen – ein grundsolider Auftritt. Leider hatte keine der beiden Gruppen Fahnen – weder am Zaun noch Schwenkfahnen, lediglich drei kleinere Schwenkfahnen ohne Stock hingen auf der Gegengeraden am – zum Ende hin arg lädierten – Plexiglas.
Otelul kam wie bereits erwähnt typisch Ostblockmäßig verspätet ins Stadion. Kein Wunder wenn man sich beispielsweise den Zugfahrplan im Bukarester Bahnhof Gara de Nord anschaute: Sage und schreibe fünf Züge kamen hier binnen 8 Stunden an laut Anzeige. Wie soll man da auch vernünftig und vor allem pünktlich reisen? Ansonsten bleibt der Trommler zu erwähnen, welcher einen wirklich guten Auftritt hinlegte, der Rest mühte sich ebenfalls redlich, wenngleich man im Nachhinein wohl sagen muss: Man kann noch so schön singen wie man will, aber das Wort „Otelul“ klingt wohl immer schlicht scheiße. Der Gästeanhang beschränkte sich auch mehr auf Schlachtrufe, in gewohnt lauter Manier und achtete weniger auf melodische Gesänge als die Heimseite. Zu Spielende hin verlegte man sich mehr darauf die Haupttribüne mit Schneebällen einzudecken oder sich untereinander non-verbal die Meinung zu geigen. Schon lustig, wenn man sieht wie sich zwei gegenseitig versuchen mittels körperlicher Gewalt die Nase gerade zu rücken und die Polizeikette steht nur einen Meter daneben und schaut minutenlang reglos zu. Hierzulande hätten ja schon die Schneebälle alleine für einen Großeinsatz gesorgt. Aber auch bei hier war nicht alles „oldschool“ was das Drumherum betraf: Wer sich hier im Stadion etwas zu Essen oder Trinken kaufen möchte (wenngleich auch zu mehr als humanen Preisen von bspw. 50 Cent für einen halben Liter Mineralwasser) ist gezwungen sich eine Art Arenacard zuzulegen, mit der dann bezahlt werden muss. Da verzichte ich doch lieber mal 90 Minuten auf Verpflegung. Am Ende ging es dann völlig durch gefroren und mit pitschnassen Füßen zurück ins Hostel um nach kurzer Suche nach einem Minimarkt für die nächsten 10 Stunden in die Federn zu fallen.
Der Samstag galt bei strahlendem Sonnenschein und bei Temperaturen im einstelligen Plusbereich dem Sightseeing, der Nahrungsaufnahme und dem Relaxen.
Am Sonntagmorgen dann um 5 Uhr aus den Federn und ab Richtung Flughafen. Knappe vier Euro für eine halbe Stunde Taxifahren, das ist durchaus noch legitim, bei solchen Preisen hierzulande würde ich mich vermutlich vom Wohnzimmer in die Küche fahren lassen (ausreichend breite Türen vorausgesetzt). Der Flughafen dann auch schon brechend voll um diese Unzeit und eine Kontrolle, wie ich sie bisher nur selten erlebt habe. Die Stiftung Flughafentest gibt an dieser Stelle für die Kategorien Mitarbeiterfreundlichkeit, Komfort und Einkaufsmöglichkeiten 0 von 500 möglichen Sternen, da kann auch die Besenkammergroße Cafeteria nichts mehr rausreißen. Wie heftig die Kontrollen waren, konnte man sehen als ein Engländer zu seinem Flieger nach London wollte, welcher schon vor 45 Minuten abgeflogen war. Dass es aber durchaus auch noch andere Probleme gab, hat der zweite Teil unserer Reisegruppe eindrucksvoll unter Beweis gestellt, indem man sich zunächst im falschen Flughafen der Stadt wiederfand und erst kurz vor Abflug ankam. Drei mehr oder weniger verschlafene Stunden später dann Ankunft in Dortmund und nach einem längeren Fußmarsch die Ankunft am Bus– mit einem kleinen 4.000km Umweg zum Auswärtsspiel nach Bonn.
Noch kurz eine kleine Anekdote zum Thema Kriminalität und Fußball in Rumänien: Der noch-Präsident von Gloria Buzau, (2. Liga) Sergiu Bahaian sitzt seit einigen Wochen im Knast, nachdem er sich eine Schießerei mit der Polizei auf den Straßen von Bucuresti geliefert hatte. Diese war hinter ihm her, da der gute Mann in dringendem Verdacht steht vier seiner ehemaligen Geschäftspartner lebendig begraben zu haben.