Es gibt diese Länder, von denen man gewisse Vorstellungen hat und wenn man dann dort ist merkt man sie sind ganz anders. Und dann gibt es diese Länder wo man ankommt und weiss direkt: Genauso habe ich mir das immer vorgestellt. So ist Belize. Belize das ist Karibik, chillen und Freundlichkeit in Reinkultur. Hier wird man vom Grenzer bei der Einreise mit einem Lächeln und einem „Hey man – relax!“ begrüsst (Belize, das ehemalige Britisch-Honduras, ist das einzige Land Mittelamerikas in dem Englisch und nicht Spanisch Amtssprache ist). Hier kommen einem Menschen auf der Straße entgegen, schütteln einem die Hand und sagen „Welcome to our beautiful country my friend!“ und hier fahren sogar Autos von der Hauptstraße an den Straßenrand nur um dir einen schönen Tag zu wünschen. Überall cruisen Typen mit Rastas auf kleinen bunten Fahrrädern durch die Gegend und alle 50 Meter wird dir Gras angeboten. Dieses Land mit seinen lediglich 320.000 Einwohnern ist ein kleines Paradies in dem Klischees Wirklichkeit werden.
Und so wird auch die Taxifahrt vom Busterminal zum Hotel ein kleines Erlebnis. Mein Taxifahrer fährt Schritttempo, damit er die Frauen draußen beobachten und anbaggern kann. So langsam wie er fährt wird er gemalt und nicht geblitzt. Auf meine Frage wie es mit Fussball aussähe am Wochenende weiss er auch eine Lösung. Der Verband von Belize ist vor einigen Jahren nicht zufällig vorübergehend aus der FIFA geflogen, hier heraus zu finden wer wann und wo in der nur wenige Wochen langen Saison spielt ist nahezu unmöglich. Die Verbandsseite ist Jahre alt, aktuelle Zeitungen gibt es über das Internet nicht zu lesen und der Spielplan, den mir der Fußballverband nach einigen Mails dann geschickt hat stellt sich als vollkommen nutzlos heraus. Laut dem Spielplan gibt es ein und das selbe Spiel an aufeinanderfolgenden Spieltagen, spielen mehrere Mannschaften gleichzeitig im gleichen Stadion, spielen mal Samstag und Sonntag gegen den gleichen, mal gegen einen anderen Gegner. Rekord sind drei Spiele zur selben Zeit im selben Stadion obwohl alle drei Heimvereine aus einer ganz anderen Stadt kommen als die in der das Stadion liegt.
Also zurück zu Buckley meinem Taxifahrer, der mich in den folgenden Tagen wenn er mich in der Stadt sieht immer gleich enthusiastisch anhupt und grüßt. Er kennt da wen, der spielt hier in der 1. Liga und da fahren wir auf dem Weg zum Hotel mal eben vorbei. Da Belize City lediglich knapp 80.000 Einwohner hat ist dies auch kein großer Umweg. Sein Kumpel liegt gerade im Vorgarten und ballert sich mit zwei Kollegen die Birne dicht. Einer der Kollegen stellt sich dann später als sein Trainer heraus. Fußball? Ja das sei dieses Wochenende. Irgendwann am Sonntag und gegen wen das wisse er gerade nicht so. Korrekt, darauf lässt sich aufbauen. Zumindest etwas.
Nach dem Kauf zweier Tageszeitungen und einer Visite am Stadion, dem MCCGround stand dann fest: Das Spiel lautet FC Belize gegen Irgendwen und findet Sonntag um 14 oder 16 Uhr statt.
Der schwierigste Teil war nun also geklärt und am Spieltag selbst ging es mittags mit einem kleinen Bummel durch Belize City los. Bis 1961 war sie Hauptstadt des kleinen Landes, dann kam jedoch Hurrikan Hattie und löschte sie fast komplett aus. Viele Tote und eine Verwüstung bei der tpyischen Holzbauweise waren die Folge. Das ist auch der Grund,wieso man heute leider viele nichtssagende Betongebäude in Meeresnähe vorfindet und das typische Belize eher weiter im Landesinneren. Aus Sicherheitsgründen wurde der Regierungssitz nun etwa 80 Kilometer von der Küste entfernt nach Belmopan verlegt. Vor allem die besser Betugten haben sich die Grundstücke entlang der Karibik gesichert und so stehen dort nun einige Protzbauten in US-Amerikanischem Stil. Ausserdem scheint man dort ein besonderes Faible für Wachhunde der Kategorie „Beißt der?“ „Nein, der schluckt im Ganzen!“ zu haben.
Der 144. der FIFA-Weltrangliste (danach kommen nur noch Fussballgrossmächte wie Mauretanien, Osttimor, Eritrea oder die Cook-Inseln) kann mit dem MCC Ground mit einem besonders schönen Flecken Fußballplatz dienen. Es hat drei kleine Holztribünen, Palmen am Rand des Platzes und von einer der Tribünen hat man noch einen schönen Ausblick auf die Strandpromenade, das Meer und die Mangroven. Anpfiff war natürlich erst um 16 Uhr, so dass ich mich noch für einige Zeit zu den Anglern am Ufer setzen und denen bei ihrer Tätigkeit zuschauen konnte. Der ein oder andere Joint und ein paar Glas Rum sorgten bei denen für die nötige Ruhe beim Warten auf den nächsten Fisch.
10 Belize-Dollar Eintritt und eine kurze Diskussion ob ich die Eintrittskarte behalten dürfte später war ich dann auch endlich drin. Und auch hier wieder diese unglaubliche Freundlichkeit der Menschen, direkt kommt jemand auf mich zu, nimmt mich in den Arm und führt mich zum Getränkestand wo er mir eine etwas kurios gefärbte Flüssigkeit in einer PET-Flasche in die Hand drückt. Das solle ich unbedingt probieren weil das sei richtig gut. Naja vor allem war es grauenvoll süss und wieso ich mich danach etwas duselig fühlte wurde mir später klar als ich den Verkäufer beim Mischen dieser Spezialität beobachten konnte. Gute 80% waren Campari, der Rest irgend ein Sirup.
Mit mir gemeinsam wollten sich noch vielleicht 150 weitete Zuschauer dieses Match gegen die Sea Dogs von der Insel San Pedro anschauen. Die Gäste rissen dabei ganz knapp die 0% Hürde und waren mit zwei oder drei Leuten vor Ort. Es gab weder Support noch Fahnen oder ähnliches, aber eine so coole und lockre Stimmung habe ich vermutlich noch nirgends beim Fußball erlebt. Jeder kannte jeden, überall wurde rumgealbert und Späße gemacht oder Spieler des Gegners veräppelt, die dabei sichtlich ihren Spaß hatten. Dabei fuhren Rastamänner mit witzigen bunten Fahrrädern ums Feld und hatten dort Gebäck oder Getränke drauf aufgebaut die sie verkauften. Dabei immer wieder ihre Rufe in diesem typischen karibischen Englisch-Singsang. Eine wundervolle Sprache, wenn auch manchmal was schwer zu verstehen.
Ohne dass einer begriffen hätte wieso warf der Unparteiische gleich nach fünf Minuten von jeder Mannschaft einen runter. Die Zuschauer nahmen es mit Humor und beide Spieler setzten sich zu ihnen auf die Ränge.
Zum Spiel selbst muss man vermutlich nicht mehr viel sagen. Gebolze auf dem Niveau der Kreisliga C und ein ähnlicher Zuschauerzuspruch. Es dürfte das Erstligaspiel meiner bisherigen Fußballkarriere gewesen sein mit den wenigsten Interessierten am Rand des Feldes. Aber solche Partien nehmen ihre Berechtigung aus ganz anderen Faktoren. Max Frisch fragte einst: „Warum reisen wir? Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, dass sie uns kennen ein für allemal. Damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich ist. Es ist ohnehin schon wenig genug.“ Und so war für mich das Besondere dieses Abends der einzige weiße unter den Zuschauern gewesen zu sein. Ich wüßte gerne mal wie es im Umkehrschluss aussähe, wenn ich der einzige Farbige beispielsweise in Cottbus gewesen wäre. Besser ich denke nicht darüber nach.
Auf dem Weg aus dem Stadion wurde ich noch herzlichst von einigen Leuten verabschiedet, ehe es zu Fuß an den Heimweg ging. Dieser lief auch durch etwas dubiose Viertel der Stadt, welche wenig bis fast garnicht beleuchtet wurden. Dem zufolge mein Schritt auch ein wenig schneller, bis sich mir ein Typ im Frack in den Weg stellte und mich überzeugen wollte mit ihm in eine kleine Bretterbude am Eck zu kommen. Erst als ich kapierte, dass es sich dabei um eine Kirche handelt, die hier alle paar Meter aus dem Boden schießen beruhigte sich mein Atem wieder. Auch wenn der Pfarrer wirklich nett war, so penetrant war er auch und versuchte mich zu überzeugen wie toll sein Gott doch für mich sei. Aber mit christlichen Fundamentalisten zu diskutieren ist wie mit einer Taube Schach zu spielen: Selbst wenn man der beste Spieler der Welt wäre, die Taube würde nur alle Figuren umschmeißen, auf das Brett kacken und triumphierend umherstolzieren. Ich sparte mir das vollgeschissene Spielfeld, ließ den guten Herrn stehen und zog mich in mein Hotel zurück. Ganz wie es die örtlichen Gegebenheiten hier vorschreiben wurde dann auf der Dachterrasse mit einem lokalen Bierchen und einer dicken Tüte der Länderpunkt gefeiert und der nun Fußballfreie Rest-Urlaub eingeläutet.
Dieser Text wurde (gekürzt) in Transparent Magazin abgedruckt.