Ohhh nein! Nicht NOCH einer! War mein erster Gedanke, als nur drei Tage nachdem ich die Rezension zu „Awaydays“ geschrieben hatte die nächste DVD auf meinem Tisch landete.
Die Rede ist von „Cass – Legend of a Hooligan“, welcher schon 2008 erschienen ist, jetzt jedoch auch auf Deutsch erhältlich ist. Mit wenig Begeisterung schob ich die DVD in den Player, in Erwartung einer weiteren langweiligen Hooliganschnulze ohne viel Hintergrund und Authentizität.
Aber wie es manchmal so im Leben ist: Ich wurde äußerst positiv überrascht! Das liegt vielleicht auch daran, dass es diesmal nicht eine einfache Geschichte über Randale und Drogen ist, sondern es sich um die Autobiografie von Cass Pennant handelt, jenem Hooligan der West Ham Intercity Firm, welcher schon in nun 10 Büchern sein Leben niedergeschrieben hat.
Cass ist ein Sohn jamaikanischer Eltern, der von einem weißen Ehepaar der Londoner Mittelschicht groß gezogen wird und schon in frühester Kindheit mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit konfrontiert wird. Seine Eltern sind augenscheinlich überfordert mit der Situation, seine einzige Flucht ist der Fußball, wo er nach ersten Schlägereien (als 14jähriger) akzeptiert und aufgenommen wird wie er ist – unabhängig von seiner Hautfarbe. In den Folgejahren macht er sich und seine Firm landesweit bekannt und auch in Deutschland kennt man die ICF nicht nur wegen ihrem besonderen Erkennungsmerkmal, der Visitenkarte mit der Aufschrift „Congratulations – you’ve just met the ICF“, welche sie niedergestreckten Gegnern pflegten anzuheften.
Der Film beginnt mit einer Szene schon nachdem Cass kein aktiver Hool mehr ist und als Türsteher vor einer Londoner Discothek steht, wo er von ehemaligen Feinden mit mehreren Schüssen niedergestreckt wird und nur knapp überlebt. Danach lebt der Film davon, dass es keine Märchen sind, die er erzählt, sondern die tatsächliche Lebensgeschichte einer beteiligten Person. So sind auch andere Charaktere, Vereine und Gruppen nicht mit irgendwelchen sinnlosen Spassnamen ausgestattet. Einige Szenen von Ausschreitungen oder aber auch Einblendungen von Maggie Thatcher sind hingegen sogar Originalaufnahmen aus der Zeit und liefern somit noch mehr Authentizität. Für einen Hooliganfilm gibt es überraschend wenige Hauereien, diese wirken jedoch sehr echt und nicht gespielt – ein großer Pluspunkt. Auch, dass hier nicht peinliche 12 gegen 10 Matches gezeigt werden, weil scheinbar nicht genug Statisten gefunden wurden die sich gerne die Nase blutig hauen lassen, sondern realistischere Mobs aufgeboten werden. Die Gewalt wird jedoch auch mitnichten verniedlicht, wenn man sieht mit welchen Waffen die Jungs damals auf Tour waren – soviel zu der Mär vom „fairen“ Boxkampf der Engländer.
Aber der Film hat auch einen gewissen Charme und Situationskomik wie beispielsweise als Cass Leute rekrutiert für ein Auswärtsspiel und ein vielleicht 13jähriger Junge mit einem Messer fast so groß wie er selbst in der Hand da steht und mitfahren will. Aber auch richtig rührende Szenen, wie wenn dieser Berg von Mann nach dem Tode seiner Mutter den gebrochenen Vater versucht zu trösten gibt es.
Insgesamt, vielleicht gerade weil es kein reiner Hooliganfilm ist und die Gewalt eine eher untergeordnete Rolle spielt, der wohl beste Hooliganfilm den ich bisher gesehen habe. Auch wenn wie in seinen Büchern immer recht viel Pathos und auch Selbstbeweihräucherung mitschwingt, so ist der Streifen auf jeden fall zu empfehlen – er zeigt das Leben von Cass Pennant ungeschönt aber nicht minder interessant und am Ende freut man sich gar ein wenig mit ihm, als er davon abläßt sich für den Mordversuch zu rächen und sich für Frau und Kinder entscheidet anstatt für eine lebenslange Hafstrafe.
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