Manchmal glaube ich, bei mir ist es mit Flügen und Bahnfahrten wie bei Frauen mit Schuhen. Wenn die im Schlussverkauf sind, sind se immer noch teuer, ich habe das Geld nicht wirklich aber HEY 50% RABATT! Da MUSS ich buchen!
So auch diesmal, 19 Euro pro Weg mit der Bahn nach Amsterdam, da kann man eigentlich nix falsch machen. Vor allem, wenn man in dieser Stadt mittlerweile öfters den Flughafen beehrt, aber es noch nie außerhalb der Amsterdam Centraal geschafft hat. Zu allem Glück bekam ich Freitag Nacht noch eine Mail der Bahn, dass eine Teilstrecke so nicht mehr bedient würde. Ergebnis: Die Zugbindung für Hin- und Rückfahrt wurden aufgehoben und ich konnte mit ICE böschen, was den Fahrtweg pro Strecke um knapp 90 Minuten kürzte, den eigentlichen Fahrtpreis pro Weg auf 143 Euro katapultiert hätte und mir die Gelegenheit gab meinen Aufenthalt vor Ort zu verlängern. 253. Erwerbsregel der Ferengi: „Ein Vertrag ohne Kleingedrucktes ist das Werk eines Idioten“.
Die eigenmächtige Verlängerung war auch von Nöten, denn bei wundervollem Wetter hatte es mir die Niederländische Hauptstadt wirklich angetan. Nicht nur die bekannten Grachten, die Coffeeshops und der große Rotlichtbezirk hatten es in sich. Wer die Zeit hat sollte sich einfach mal 20 Minuten in Metro oder U-Bahn setzen und blind irgendwo aussteigen, ein wenig ab vom Touristentrouble in der Innenstadt. Hierbei jedoch positiv hervorzuheben, dass an diesem Wochenende sehr wenige Landsleute gespotted werden konnten. Stattdessen viele Franzosen, Engländer, Polen und Niederländer in den Hotels der Stadt. Hotels – das ist auch zugleich der Stichpunkt: Es gibt tatsächlich im Jahr 2013 noch Hostels und Jugendherbergen, die Zimmer mit jenseits der 25 Betten anbieten. Ich dachte so was gibt es seit den 70ern nicht mehr. Müßig zu erwähnen, dass selbst dort an einem Wochenende noch 35 Euro und aufwärts verlangt werden. Kompletter Irrsinn, daher entschied ich mich lieber gleich dafür ein paar Euro mehr zu investieren und nahm ein Hotel, das in einem alten Schiff auf der Amstel angelegt war. So kam es, dass ich zum ersten und wohl einzigen mal in meinem Leben aufgewacht bin und aus meinem Zimmerfenster Ausblick auf ein im Hafen, nur 50 Meter von mir entfernt, liegendes altes U-Boot hatte.
Anders als in Hamburg ist in Amsterdam das Gebiet, indem die berüchtigten Fenster bis zum Boden gehen nicht abgeriegelt und auch Frauen dürfen hier herumlaufen. Daher war ich dann doch ein wenig überrascht, als es aus dem Nichts direkt neben mir klopfte und eine (nicht mehr ganz so holde) verblichene Schönheit mir zuwinkte. Aber es gibt wohl schlimmeres in diesem Leben als von nackten Frauen aus seinen Tagträumen geholt zu werden.
Selbstverständlich wurde auch vom Angebot der örtlichen Coffeeshops gebrauch gemacht. In der Tat scheint die Innenstadt nur aus eben diesen, Sexshops, sowie Dönerbuden und Argentinischen Steakhäusern zu bestehen. Ich habe geschlagene zwei Stunden gesucht, bis ich eine Fritterie gefunden habe, die Fritten und Frikandeln anbot. Da werde ich ja in Buxtehude schneller fündig … Dafür ist die Dichte von Parillas höher als in Buenos Aires, die vielen spanischen Touristen wussten es zu würdigen.
Samstag Abend um 20:45 Uhr dann der eigentliche Grund für meinen Tripp. Das Problem: Der Verein Ajax Amsterdam sieht Ausländer nur als potentielle Melkkuh. Dank Clubcardzwang in allen Spielen diese Saison (außer einem einzigen Bolz) und verbunden damit kein Verkauf mehr am Spieltag, musste bereits im Vorfeld getrickst werden. Die Ticketpackete für Ausländer beginnen regulär irgendwo um die 70 Euro und sind nach oben hin mehr oder weniger offen gestaltet. Da ich stolzer Inhaber einer Clubcard bin, wäre ich eigentlich dazu berechtigt ein Ticket ganz normal im Onlineshop zu erstehen. Leider hat Ajax da einen Riegel vorgeschoben, die Kreditkartenzahlung wird nicht mehr akzeptiert. Stattdessen muss man eine Art „holländisches Paypal“ haben, das einige niederländische Banken mittels eines speziellen Lesegerätes unterstützen. Und an dieser Stelle breche ich mal eine Lanze für Facebook: Man kann ja meckern über das Netzwerk wie man will, aber es hat nur 5 Minuten gedauert, in denen auf mein Nachfragen wer aus meiner Freundesliste ein niederländisches Konto sein eigen nennen kann, sich jemand gemeldet hat. Somit gerade noch akzeptable 26 Euro geblecht.
Der Gegner hieß Go Ahead Eagles aus Deventer, die einem als Münsteraner alleine schon wegen dem Stadionnamen „De Adelaarhorst“, welches an die alte Fankneipe den „Adlerhorst“ erinnert, gefallen sollte. Nicht desto trotz sind sie eh schon ein kleiner, unwichtiger Verein der außerdem in diesem Jahr nicht so richtig aus den Puschen kommt und demnach den 15. Tabellenplatz sein Eigen nennen kann. Die Erwartungen wurden also niedrig angesetzt. Leider nicht niedrig genug, wie sich zeigen sollte.
Dabei waren die Gästefans sogar noch ganz ansehnlich. Der Sektor schien ausverkauft, es wurde ein wenig gesungen – alles im Rahmen also.
Doch der Reihe nach: Letzte Woche beim Auswärtsspiel in Eindhoven war den Ajaxanhängern wegen eines angeblichen „Technischen Problems“ mit dem Sonderzug (in den Niederlanden kann man Gästekarten nur in Verbindung mit organisierten Fanzügen oder Bussen erwerben) die Fahrt verboten worden. So ein wenig hoffte ich nun auf Aggression und eine entsprechende Antwort auf den Rängen.
Zunächst gab es aber mal einen 11jährigen zu sehen aus der Ajax-Jugend. Dieser musste im Mittelkreis nun den Ball hochhalten. Dies hatte er bei einem Wettbewerb satte 2700x geschafft. Der Zweitplatzierte schaffte immerhin noch 576x, der dritte mit 92 war dann doch ein wenig abgeschlagen. Zum Glück schaffte der Kurze diesmal auch keine 100 und somit war Platz für die Spiele des Vereins aus der letzten Woche im StadionTV auf der Anzeigetafel. Bis runter zur B-Jugend. Hartes Zeug. Es mag ja Fußballenthusiasten geben, die sich für so was begeistern können, ich gehöre jedoch nicht dazu. Wenn ich zu einem Erstligaspiel gehe, dann will ich auch erste Liga sehen und keine 15jährigen die einem Ball hinterher rennen.
Danach wurde das Programm jedoch nicht besser. Ein „Anti-Pyrotechnik“ Spott machte den Anfang. Irre, da wurden wirklich abgesprengte und verbrannte Hände und Finger in Großaufnahme gezeigt, manche schrecken für ihre Scheisspropaganda echt vor nichts zurück. Lustigerweise waren zu diesem Zeitpunkt noch keine 20 Leute im Vak410, die sich diese Ergüsse hätten zu Gemüte führen und zu Herzen nehmen können. Vermutlich steckten sie noch irgendwo im Einkaufszentrum fest, in das die Heimseite komplett integriert ist. Beste Idee seit Einführung der Kartoffel 1956. Wenn ich es richtig gesehen habe, kann man sogar mit dem Auto direkt unterm Spielfeld durchfahren, zumindest führte eine mehrspurige Straße direkt dorthin.
Mit Einlaufen dann bestialischer Hardbass auf Tinituslautstärke, wie leider so häufig in Belgien und den Niederlanden. Das am Besten noch kombiniert mit irgendwelchen Vereinsliedern im Volksmusikstil bis die Ohren kotzen lernen.
Könnte sein, dass das auch zum verletzungsbedingten Wechsel bei Ajax nach zwei Spielminuten und ohne Ballkontakt führte. Ohrmuschelbruch oder so ..
Damit wäre auch alles Interessante der ersten Halbzeit erzählt. Auf dem Feld ging nix, da kickte Not gegen Elend. Deventer kam nicht einmal aus der eigene Hälfte raus und Ajax verstolperte jeden Ball kläglich nach höchstens drei Ballkontakten. Die Gäste sangen jedenfalls noch ein wenig vor sich hin, die Heimseite hingegen fand nach einem unspektakulären Doppelhalter- und Fahnenintro nicht statt. Wenn überhaupt, dann sangen selten mehr als 300-350 Leute im Kern von Vak410. Eine absolute Enttäuschung, hatte ich nach Foto- und Youtubestudium doch eigentlich eine ganz gute Meinung vom amtierenden Meister. Klar, G.A.E. ist kein interessanter Gegner aber es fällt mir schwer zu glauben, dass dieses Publikum gegen andere Gegner plötzlich ausrasten soll. Ok es war auch nicht ganz ausverkauft, aber nur auf den Tribünen, die Kurven waren beide sehr gut besucht, der Fanblock mit Sicherheit bis auf den letzten Platz belegt. Als selbst auf das Einspielen von Bob Marley (das Video dürfte ja jedem bekannt sein: http://www.youtube.com/watch?v=v6jp39Jrrdo) keinerlei Reaktion erfolgte, gab ich endgültig alle Hoffnungen auf.
Zumindest die Gäste ließen hin und wieder von sich hören. Leider waren deren Lieder so dermaßen simpel und öde, dass sogar ich jedes Wort verstehen konnte. Niveaumäßig einzuordnen irgendwo zwischen Alemannia Aachen und dritte Klasse Sonderschule.
Dann die zweite Spielhälfte. Eigentlich hatte Ajax an seinem Unvermögen nix geändert aber ein Eigentor von Deventer in der 49. Minute trat irgendwas los. 4 Tore in 5 Minuten waren die Folge. Und jedes Mal sah es aus als wäre die Pocke aus Versehen versenkt worden. Wer nun hoffte, dass das dröge Publikum endlich aufwachen würde: Pustekuchen. Abklatschen, hingesetzt, fertig. Nichtmal auf die liberalen Drogengesetze des Landes kann man das schieben, in dem (geöffneten!) Stadion herrscht absolutes Rauchverbot. Selbst von mir als Nichtraucher komplettes Unverständnis für so was.
Irgendwie fielen aber noch weitere 2 Tore, ein Spiel auf Augenhöhe also. 6 Tore in 45 Minuten und dennoch war die Stimmung im Van Goghmuseum zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit nicht schlechter. Selbst wenn dieses um 22 Uhr schon geschlossen haben sollte. Das geschriebene Wort kann diesem Auftritt einfach nicht gerecht werden aber so ist es nun mal: Mal biste Hund, mal biste Baum. Um es mit Shakespeare zu sagen: „Es war komplett scheiße“
Mir war’s egal, ich konnte noch einen tollen Tag in Amsterdam anschließen, lege die Planung Feyenoord (und damit die Komplettierung der niederländischen Vereine, die ich mal gesehen haben wollte) auf Eis und schließe mit der Erkenntnis: Hanflollies schmecken kacke.