Samstag:
Bereits am Freitagabend endete für den 1. die Tour. Arbeit, die übers Wochenende nicht liegen bleiben konnte.
Also ging es Samstagmorgen in aller Frühe zu dritt gen Köln Airport.
Diesmal war alles haarknapp geplant und statt wie vor 2 Wochen den Flug 30 Minuten vor zu ziehen wurde es diesmal ne halbstündige Verspätung. Na wunderbar. Der Flug wurde mehr schlafend als wach verbracht und in Napoli empfing uns diesmal ganz ordentliches Wetter. 15 Grad, nen paar Wolken. das ist ok …
Ab durch den Zoll geflitzt und zu Europcar und den bestellten Mietwagen angetischt. Dank einiger Vollpfosten vor uns, die den scheiß Vertrag erstmal von oben bis unten durchlesen mussten ging hier nochmal einiges an wertvoller Zeit flöten. Ziemlich exakt 3 Atunden für 340 km bis Catanzaro. Knappe Geschichte aber der Bleifuß tat sein Bestes. Unter vollkommener Außerachtlassung bekannter Verkehrsregeln, interessanter Auslegungen der Verkehrszeichen sowie todesmutiger Interpretation der vorgeschlagenen Höchstgeschwindigkeit ging es südlich. Leider nur bis zur ersten Baustelle – und die hatte es in sich. Sicherlich 15km einspurig ohne Chance zu überholen. Mit 160 durch die Berge um noch etwas rauszufahren und dann der nächste Hammer: Nen Schwertransport. So langsam passte wirklich alles, dass es zwischenzeitig mal wieder anfing zu regnen natürlich auch.
Zu Spielbeginn passierten wir gerade ungefähr Cosenza, kurz vor der Halbzeit wurde der wohl schönste Sonnenuntergang meines Lebens am Meer präsentiert.
Gegen Ende der Halbzeitpause dann endlich am Ziel, karre abgestellt und zum Stadion durchgefragt. Welcher Idiot baut eigentlich Städte mitten inne Berge? Ich bin noch nie so übel außer Puste gekommen wie die paar Meter die Straße hoch.
Am Ziel angekommen wurde direkt der 1. Eingang attackiert. Fax und Presseausweis voraus, Eintrittskarten werden ja bekanntlich in Italien größtenteils nur noch bis einige Stunden vor Spielbeginn verkauft. Keine Chance, wir sollen wo anders fragen. Das tun wir auch – und zwar an sämtlichen Eingängen und überall das selbe Ergebnis. Dazu ein Sicherheitschef den es nicht die Bohne interessiert was wir überhaupt wollen. In all meinen Spielen zuvor in Italien ist mir noch nie ein so arroganter Haufen wie in Catanzaro unter die Augen gekommen. Während man sich wo anders nen Ast abfreut, dass man extra aus Deutschland über 1000km für ein Spiel kommt – hier totales Desinteresse und Abneigung.
Nach 20 Minuten wie die letzten Trottel ums Stadion wetzen hatten wir die faxen gestrichen voll und wollten nurnoch raus aus dieser Stadt. über die Zäune oder Mauern klettern wäre hier nicht nur an der Höhe, sondern auch der Ausstattung der Mauern gescheitert. Wie vor 2 Wochen in Barletta fand man es hier wohl lustig dicke Glasscherben einzubetonieren.
Also ab in die Karre und weg hier – nicht ohne fleißig zu hupen, das unserem Kutscher doch immer mehr zu gefallen schien. Keine 5 Stunden im Land und schon sehr italienisch am fahren – Daumen hoch!
Nächste Etappe war Reggio di Calabria, wo wir uns eine Unterkunft suchen wollten. Durch den recht üblen Verkehr ging es das ein oder andere mal nicht so 100% Verkehrsregelkonform in Einbahnstraßen oder über Busspuren dem Ziel entgegen. Vorbei unter anderem an einem Shop der Reggio Boys, den Ultras von Reggina. Leider waren die anderen beiden nicht zum anhalten und Fanartikelkonsumieren zu überzeugen.
Dafür wurde nen feines 3 Sternehotel angesteuert. 104 Oken für 3 Leute? Ne danke. Nachdem auf 30 pro Person runtergegangen war schauten wir uns die Butze mal an. Riesen groß, mit Küche, Waschmaschine, großem Bad, 2 Fernsehern und nem ums halbe Haus gehenden Balkon. die mit Abstand nobelste Unterkunft meinerseits bisher im gelobten Land. Hand drauf, dat Teil nehmen wir!
Aber erstmal sollte was zu achilen attackiert werden. Schnell im Supermarkt mit dem nötigsten eingedeckt und dann ab in die nächste Pizzeria. Nur wo zum Teufel ist die? Überall nur diese furchtbaren Pizza-zum-mitnehmen-dinger und dabei hatten wir uns so auf ne ruhige Runde bei 1 oder 2 Pizzen und nen paar mehr Bierchen gefreut. Pustekuchen. Zumindest wurde nen Laden aufgetan mit Steinbackofen und Pizza zum mitnehmen, besser als nix.
Nen paar Meter gelaufen und wir standen vorm Stadion von Reggina. Ein klasse Teil! Da schmeckt die Pizza gleich doppelt so gut … und scharf 🙁
Danach ging es dann für uns inne Kojen – dringend benötigten Schönheitsschlaf nachholen.
Sonntag:
Raus um 8 und erstmal die Küche genutzt um zu frühstücken. Dazu lief im TV die Endloswiederholungen von Catanzaro – Cesena (2:4 und Catanzaro somit vorletzter HA! BASTARDI! so ist’s richtig) und Cremonese – Crotone 2:0. Cank fehlendem Moderator und einiger wunderschöner Tore sogar zu ertragen.
Nun ab nach Villa Giovanni, 20 km vor Reggina, von dessen Hafen aus die Fähren nach Messina starten. Zwischendurch noch die Mattocrew aus MS am Telefon abgewimmelt, die sich nun seit schätzungsweise 12 Stunden im Dauersuff befand und für happige 27 Euro eingecheckt.
Die Überfahrt dauerte knappe 30 Minuten und drüben angekommen durfte man erstmal Tags und Schmierereien von wohl nahezu jeder Ultragruppierung von der Serie A bis D bestaunen. Hunderte Meter lang an den Absperrungen und Mauern nur „Ultras xy“ „Merda Dingenskirchen“ usw.
kaum war das vorbei, sprangen einem unglaublich viele A’s entgegen in gelb und rot. Diese waren vor 2 Jahren nach dem Aufstieg in ungeheuren Mengen in der Stadt angebracht worden, jetzt kann man quasi kein Garagentor, keine Mauer oder Mülltonne, keinen Zaun oder Laternenpfahl mehr sehen der nicht ins Vereinsfarben glänzt. Unfassbar geil!
Die Karre wurde an ner geschlossenen Tanke im Hof in unmittelbarer Nähe zum alten Stadion von Messina abgestellt. 12.000 gehen da rein, also für die Serie A nicht wirklich zeitgemäß aber dafür wunderbar gelegen. Nur wenige Meter vom Meer entfernt inmitten eines Häuserblocks. Vom Balkon aus kann man die 1-2 Meter auf die Ränge spucken. Schade, sowas wird heute nichtmehr gebaut.
Direkt daneben nen Kiosk wo sich mit Heften eingedeckt werden und nach’m Weg zum Ticketverkauf gefragt werden sollte. Aber was grinst uns da an? Nen T mit Fedilissimi (eine der Ultragruppierungen in Messina) Mütze und Zipper, im Hintergrund nen Ultrasschal zum 30 jährigen Bestehen der Gruppe. Dieser wurde dann direkt mal für 7 Euronen erstanden. Der Gute stellte sich im weiteren Gesprächsverlauf als einer der Capi heraus und holte einen riesen Batzen Fotos aus der hintersten Ecke von dem ich erstma eins geschenkt bekam. Einfach klasse, sowas ist Gastfreundschaft. Er wollte noch nen paar Sachen über unseren Verein wissen, aber Preussen Münster sagte ihm natürlich nicht die Bohne. Egal er zeigt uns den Weg zum Ticketshop. Der ist recht fix gefunden und die Karten wechseln die Besitzer. Grazie.
Jetzt sollte es mit der Karre Richtung Stadion gehen. Der Weg dahin ist aber total abgesperrt und das ganze eskaliert zu ner Tour in die Berge mit Höhepunkt Steine-auf-Häuser-werfen von dort oben. Ein schöner Blick aufs Stadion und bis zum Festland aber eben nicht das was wir vorhatten. Also volle Kraft zurück und das Auto wieder an der Tanke abgestellt, die knapp 2 km ging’s zu Fuß.
Am Stadion angekommen der nächste Schock. Die Karte eines Mitfahreres war auf den Namen des
Abgesprungenen ausgestellt und da man am Eingang die Namen mit dem Perso vergleicht keine Chance. Aber auch hier wieder vollkommen anders als den Abend zuvor: Die Ordner waren super freundlich, sagten uns auf englisch/deutsch Mischmasch wo wir einfach den Namen ändern lassen könnten. Und siehe da: Das klappte sogar anstandslos.
Nun aber nix wie ab ins Stadion.
Ein richtig feines Teil, was wohl so mit nichts zu vergleichen ist das ich bisher gesehen habe. Halb in den Berg gebaut, leicht geschwungene Tribünen und auf der anderen Seite quasi in ein Gebäude integriert. Überdacht waren lediglich etwa 30 Presseplätze und da saßen wir eben nicht. Nicht gerade begeistert nahmen wir daher die ersten Regentropfen zur Kenntnis. Einzige Möglichkeit sich unter zu stellen waren die Toiletten wo alsbald reger Betrieb herrschte. Sehr kultig der gute Mann mit dem üblen Organ, der scheinbar irgendjemanden persönlich für das Wetter zur Verantwortung ziehen wollte aber kein passendes Opfer fand, weil sich niemand angesprochen fühlte. Im allgemeinen Gelächter erbarmten sich dann ein paar der Dorfältesten und schabbelten fröhlich mit ihm über dies und das.
Der Regen hörte zum Glück fix auf und so konnte der Unterschlupf (übrigens wahnsinnig sauber für italienische Stadionklos!) ungefährdet wieder verlassen werden.
Mit Spielbeginn war’s trocken und die Ränge füllten sich Zusehens. Hier scheint wohl Camouflage ganz groß im Kommen zu sein, wie sonst sollte man sich unzählige von oben bis unten in Tarnklamotten gehüllte Männlein und Weiblein erklären? Lustig auch anzusehen wie sich hier gegen das bisschen Regen gewappnet wurde. Manche sahen aus als kämen sie gerade vonner Wattwanderung. Gummistiefel, wahlweise auch Plastiktüten um die Schuhe gebunden, von oben bis unten in Regenklamotten eingewickelt … die haben wohl nen halben Weltuntergang erwartet.
Kurz vorm Einlaufen zum 5. mal die Durchsage, dass nicht nur rassistische Äußerungen und Symbole, nein auch Pyrotechnik aufs schärfste verboten sei und diejenigen zur Verantwortung gezogen würden.
Mit Einlaufen dann einige kleine Fackeln, die im Licht aber kaum zu sehen waren, sowie ein Bengale und nen paar Böller incl. einer Papierbombe. tja … Pyroverbot: Drauf geschissen! Wenn leider auch nur im kleinen Format. Dafür gab es ein gigantisch lautes „undici, undici leoni!“ (elf Löwen), sowie „imsieme Serie A“ (zusammen in der Serie A. Hintergrund: Messina ist im 2. Jahr Serie A derzeit mit recht mickrigen 10 Punkten im Tabellenkeller). Gerade durch die Berge gegenüber der Curva Sud kamen die Gesänge einfach wahnsinnig laut.
Die Lions (ebenfalls eine Ultragruppierung) hatten sich in die linke Ecke des Blocks zurückgezogen, ihr Stammblock blieb das ganze Spiel über frei. Und das mitten in der Kurve. Die Lions protestierten gegen irgendwas, wobei ich mir nicht ganz sicher bin wogegen. Zum einen hing ihre Zaunfahne verkehrt herum und im Hintergrund das ganze Spiel über ein „ultras lions liberi“ Transpi. Dazu wurden Transpis im Spielverlauf gezeigt „Peppe non molare“ (nicht aufgeben Peppe) und „diffidati con noi“ (die Stadionverbotler sind bei uns). Kurz nach Anpfiff dann eine seltene Szene. Eine größere Boxerei der Lions mit Ordnern, woraufhin ein Schwung Ordner und Cops in die Ecke gestürmt kam und ruckzuck einen Übeltäter verhaftete. Sowas habe ich in Italien auch noch nicht gesehen, dass sich die Polizei traut in einen Block zu gehen und jemanden heraus zu ziehen.
Aufgrund des fehlenden Gegners (54 handgezählte Hanseln aus Verona hinter nem halben dutzend Fahnen – ua. die Nortside Verona) ging die Stimmung doch mit Spielverlauf zurück. Schade, wenn diese Lautstärke übers Spiel fortgeführt worden wäre …
Unglaublicherweise führte Messina zur Halbzeit (mit Pfiff quasi das 2:0 durch Elfmeter). Gerade in dem Moment wo das komplette Stadion das 1. mal richtig am ausrasten war Halbzeit. Schade.
Bei den Lions zur 2. Halbzeit eine kleinere Blockfahne mit einem Löwen drauf, dazu das Transparent „fieri di essere“ – stolz zu existieren (ich lasse mich bei dieser Übersetzung gerne eines besseren belehren), was wohl endgültig auf größere Probleme der Gruppe entweder mit Verein, Staatsmacht oder beidem deutete.
Aber richtig lustig wurde es erst nach Wiederanpfiff. Langer Pass nach vorne, Schuss und Tor für Chievo. und sofort Proteste bei der Heimmannschaft. 5 Minuten Hickhack und das Unfassbare: Der Schiedsrichter nahm das Tor zurück. Die Gästespieler natürlich auf 180 und kurz davor kollektiv vom Feld geworfen zu werden, der Heimpöbel auf der Haupttribüne vor Freude am ausrasten und im Gästeblock wurden auf Kommando aus Protest die mitgebrachten Zaunfahnen eingepackt. „ok, ihr seid mehr – das war kein Tor“ lustig, sowas hab ich auch noch nicht live gesehen, zumal der Linienrichter auch auf Tor entschieden hatte. Nun gab es stattdessen Freistoß für gelb-rot wegen Abseits.
Keine 5 Minuten später durfte sich dann ein Veronesi nach Frustfoul und roter Karte verabschieden und damit die Gäste sämtliche Hoffnungen auf einen Punktgewinn. Der Tabellen 6. verliert beim 18. 2:0.
Ein paar Minuten später kämpfen wir uns durch das Gewühl von ca. 20.000 abziehenden Fans. die meisten davon per Pedes oder aufm Roller. Fast ungebremst durch die Massen und keiner bekommt nen Kratzer ab – immer wieder faszinierend.
Da wir noch nen paar Kilometer gutmachen mussten um unseren Flieger Montag um 12:45 zu kriegen direkt Richtung Hafen und ab auf die Fähre nach Reggina zurück.
inzwischen war’s auf dem Wasser etwas ruppiger geworden. Die Krönung aber dann als eine Welle über den Bug rollte und erstmal von einem kleinen Hupkonzert empfangen wurde. Total bekloppt die Italiener – selbst auf der Autofähre wird das liebste Spielzeug ausgepackt. Wir wollten da natürlich nicht zurückstehen und so wurde die restlichen 15 Minuten überfahrt fleißigst gehupt.
Nach etwa 2 Fahrtstunden Ankunft in Cosenza und in ein 2 Sternehotel für 67 Euro eingecheckt. Die suche nach ner Pizzaschmiede verlief erneut ergebnislos und so gab’s wieder nen Pizzakarton auf die Hand und wir standen im Regen. Sowieso Glück gehabt, denn der Laden hatte eigentlich schon zu, warf für uns extra nochmal einen Holzscheid in den Steinbackofen.
Im Hotel wurde die Pizza dann vernichtet. Achso: Habt ihr schonmal versucht nem Hotelier mit 3 Sätzen italienisch zu erklären, dass ihr Fußballfans seid aber euch die WM im nächsten Jahr am Arsch vorbeigeht? Nein? Versucht’s mal …
Zu der Pizza gab’s dann wieder Fußball im TV … aber was an einem Kopfball so interessant ist, dass man ihn ungefähr 50x aus 3 verschiedenen Kameraperspektiven wiederholen muss, das muss mir bei Gelegenheit mal erklärt werden.
Dank eins Toptimings wurden die 270 km bis Napoli in knapp über der kalkulierten zeit abgespult und 30 Minuten von Takeoff standen wir am Checkin. Den Scheiß mit der Verspätung etc. erspare ich euch mal lieber.
Also im Prinzip 4500km für ein Spiel zurückgelegt. das war nicht ganz so geplant, aber so spielt das Leben. Das war somit Italien für dieses Jahr …