Das schönste Geburtstagsgeschenk in diesem Jahr machte ich mir selbst, bzw. die Fluggesellschaft Ryanair, die auch jetzt beim Schreiben dieser Zeilen den Flug meiner Kreditkarte noch nicht belastet und so bereits den zweiten Länderpunkt in diesem Jahr für unter 100 Euro ermöglicht hat. Herzlichen Dank. Und so führte der Weg unsere vierköpfige Reisegruppe zunächst nach Charleroi und von dort aus mit dem Flieger nach Dublin, Irland. Der frühen Abflugzeit geschuldet gelang diesmal ein glatter Start- Zielsieg mit Einschlafen noch vor dem Start und Aufwachen erst durch die harte Landung – so ging dann auch mein 111. Flug schnell und ereignislos vorbei.
Die Dame hinter dem Sixt-Schalter leierte uns dann zusätzlich zu unserem Kleinwagen noch eine „You‘ re not responsible for anything“ Versicherung an die Backe – zugleich dann auch das Motto der kompletten Fahrt. „We’re not responsible for anything!“ durfte sich fortan jeder anhören, den wir in seiner Verkehrssicherheit beeinträchtigen oder sonst wie zu gefährden gedachten.
Der erste Weg führte uns in den ortsansässigen Lidl – wo wir auch gleich mal feststellen durften was die Uhr geschlagen hat. Ein Preisniveau selbst beim Discounter absolut jenseits von Gut und Böse. An dieser Stelle sei jedem mit einem Brombeerstrauch im Garten oder mit dem Wissen über einen selbigen geraten mal darüber nachzudenken besagtes Produkt nach Irland zu exportieren. In Schälchen mit sage und schreibe 14 Brombeeren zum unschlagbaren Preis von 1,99 Euro – noch einmal: Beim Discounter! Das verspricht nach meinem alten Freund Adam Riese Rendite irgendwo im hohen 6-Stelligen Prozentbereich.
Nach einem gepflegten Asifrühstück auf dem Parkplatz des Supermarktes ging es an einen kleinen schönen Sandstrand Dublins, wo die schmerzfreien Eingeborenen bei gefühlten 10 Grad Wassertemperatur plantschten. Uns Festlandweicheiern rang dies zwar ordentlichen Respekt ab, aber mit Ausnahme eines Teilnehmers keinerlei Nachahmungsbedürfnis. Was nicht heißen soll, dass man sich nicht ordentlich verweichlicht vorkommt, wenn während 5 jährige im Wasser tollen, man selbst schon beim Gedanken daran Schüttelfrost bekommt. Egal, wir sonnten uns eine Runde um dann auf die Suche nach einem schönen See zu gehen an dem man hoffentlich etwas mehr Glück mit der Wassertemperatur haben könnte. Der erste Tümpel („DAAAA! Ein SEEEEE!“) konnte jedoch die gesteckten Erwartungen nicht wirklich erfüllen, was die vielen Schwäne hier an dem versifften Loch finden mochten, konnte sich uns nicht wirklich erschließen. Der nächste hingegen war eine Wucht, so wie man sich Irland geheimhin vorstellt. Überall ringsum grün, ein riesiger See, keine Menschenseele zu sehen, ausser mal versprengten Spaziergängern. Aber auch hier fiel das Vollbad zugunsten des körperlichen Wohnbefindens aus.
Einige Einheimische Nachwuchs-Zelthooligans im Alter zwischen 8 und 10 Jahren konnten mit bösen Blicken auf Distanz gehalten werden, ohne dass die Situation zu irgend einer Zeit für uns bedrohlich hätte werden können oder aus dem Ruder zu geraten drohte. Irgendwann bliesen wir dann doch zum geordneten Rückzug und ohne nennenswerte Verluste wurde der letzte Teil der Etappe in Angriff genommen: Richtung Sligo, dem mit etwa 18.000 Einwohner größten Städtchen im Nord-Westen Irlands am Atlantik gelegen. Laut Wikipedia ist Sligo vor allem bekannt für seine über 150 Pubs – was schon so einiges über die Attraktivität dieses Ortes aussagen dürfte. Da uns jedoch nicht der Suff, sondern der Fußball hergetrieben hatte zählte für uns viel mehr die Partie des zweifachen Meisters und Pokalsiegers Sligo Rovers gegen St. Patricks aus Dublin. Da dieses Nest ausser seiner schönen Lage am Atlantik wirklich so rein garnichts zu bieten hat, ging es schon früh zum etwa 5.600 Zuschauer fassenden „The Showgrounds“ Stadion. Ein schönes Ding mit einer ausgebauten Haupt- und einer total runtergekommenen Gegentribüne, sowie – selten auf der Insel – einigen Stehplätzen hinter den Toren.
Und nun durften wir im noch leeren Stadion den ersten Kontakt zu einem Wesen namens „Tom“ – im Folgenden von uns nur noch „Fiesen Sittich“ tituliert, herstellen. Besagter fieser Sittich war nicht nur eine Beleidigung für die Augen mit seiner scheinbar vollgekotzen Jacke, welche offen bis zum Bauchnabel war und dank fehlender Unterwäsche Einblicke gewährte, die niemand haben wollte, sondern hatte auch noch die wohl widerlichsten Finger und ungewaschensten Haare Irlands. Ansonsten konnte man seinen Zustand, wohl herbeigeführt durch konkurrenzlos regelmäßigen Alkoholkonsum, durchaus als stabil bezeichnen, wenngleich eine heftige frische Beule auf seiner Stirn anderes zu verkünden schien. Seine Interpretation der Englischen Sprache jedoch war eine Vergewaltigung unserer Ohren und machte ihn de facto nicht-verständlich. Lediglich seine Warnung auf dem Rückweg nach Dublin keinstenfalls anzuhalten, da ansonsten Mord- und Totschlag von der örtlichen Autofahrerentführungsmafia zu befürchten seien ist angekommen.
Um 19:45 Uhr Ortszeit (1 Std hinter unserer Zeit) ging es dann auch endlich los, etwa 1.500 waren bereit gewesen die mit 15 Euro doch recht happigen Eintrittspreise zu zahlen und selbst die Gäste hatten geschätzte 130 Supporter mit. Diese wurden vom Rest des Stadions mittels eines Getränkewagens abgeschirmt, in wiefern diese polizeiliche Blockadetaktik im Notfall Erfolg haben könnte liess sich jedoch mangels Potential nicht evaluieren und wurde kurz vor Abpfiff auch noch ad-adsurdum geführt, als die Blockade sich aufmachte zu schließen und den Ort des Geschehens zu verlassen. Sowohl Heim- als auch Gästeanhang hängten jeweils zwischen 10 und 15 Zaunfahnen auf, welche jedoch mit Anpfiff von der Werbebande im Innenraum entfernt werden mussten. Ansonsten gab es auf beiden Seiten kleine Choreos zu begutachten, was in UK auch nicht unbedingt zum Alltag gehört, jedoch riss das Dargebotene auch niemanden von den Plastiksitzen. Die Gäste hielten 5 überdimensionale Doppelhalter Hoch in den Vereinsfarben Rot – Weiss – Vereinswappen – Weiss – Rot und die „Red Army“ von Sligo Rovers probierte es mit 3 Fahnen, die von dem kleinen Tribünendach der Gegengeraden heruntergelassen wurden.
Zum Spiel selbst kann man eigentlich nicht viel sagen, ein bekannter deutscher Theaterkritiker hat mal treffend formuliert: „Die Vorstellung begann um 8 – als ich nach 2 Stunden auf die Uhr sah war es halb 9.“ Ideenloser Kick and Rush, die Stimmung auf den Rängen war, wenn man von einigen schönen Pöbeleinlagen der älteren Generation hinter uns absah doch eher mau. Warum eine „Mentalita Ultras“ Fahne im Heimblock hing … man weiss es nicht. Beim Durchstöbern des (mit 4 Euro doch wohl ein wenig arg überteuerten) Stadionheftchens konnte der geneigte Leser sehen, dass in den letzten 3 Spielen mit Sligo-Beteiligung 9 Tore gefallen sind. Davon alleine bei selben Match im Pokal 2 Wochen vorher derer 5. Keine Ahnung wie die das geschafft haben, dieser Kick endete jedoch schiedlich-friedlich 0:0. Der Gästeblock beschäftigte sich nach einigen Fouls mehr mit dem farbigen Spieler der Rovers und seiner pausenlosen Beleidigung als „Wanker“ als mit sinnvollem Gesang und so ging es nach 90 Minuten zurück zu unserem not-responsible-for-anything Gefährt. Lustiger Weise traf ich dann auf dem Parkplatz (wohl gemerkt bei unter 1.500 Zuschauern insg.) einen Bekannten, den ich gut 15.000 km weiter südlich in Buenos Aires kennen gelernt habe. Die (Fußball-)welt ist doch eine kleine.
Auf dem etwa 200km langen Rückweg (diesmal über Autobahn anstatt wie auf dem Hinweg über Landstraßen, welche nicht mal als Feldwege hätten durchgehen dürfen und bei denen wir vermutlich die ersten menschlichen Wesen, unter Garantie jedoch die ersten Deutschen waren, die diese Ergüße irischer Straßenbaukünste genießen durften) wurde dann als Motto „STOP! In the name of Love!“ ausgerufen in Anlehnung an die freundlichen Ratschläge unseres irischen Freudes Sittich, was uns beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Scheinbar hatte sich dies rumgesprochen und unser Vordermann ging plötzlich vollkommen übermotiviert in die Eisen um abzubiegen, ohne uns dieses jedoch vorher durch das vorgeschriebene Lichtzeichen kund zu tun. Nur der Geistesgegenwart unseres Chauffeurs war es zu verdanken, dass wir nicht als Füllmaterial für eines der reichlichen irischen Schlaglöcher geendet sind.
Da unser Flieger bereits am frühen Morgen gehen sollte wurde auf die (vollkommen überteuerte) Übernachtung in einem Hostel verzichtet und statt dessen ein mehr oder weniger ruhiges Fleckchen für unsere rollende Knutschkugel gesucht und in unmittelbarer Nähe zum Airport, direkt in dessen Einflugschneise gefunden.