Die Autorin Birgit Schönau beschäftigt sich in ihrem Buch mit dem Calcio, also dem Fußball, der in Italien so verehrt wird wie auf kaum einem anderen Flecken Erde.
Dabei thematisiert das Buch hauptsächlich die Politisierung des italienischen Fußballs. Die Geschäftsgebaren von Clubbesitzern vom Format eines Herrn Berlusconi, die den Calcio für wirtschaftliche und politische Zwecke instrumentalisieren, spielen hierbei eine signifikante Rolle.
Das Buch ist chronologisch aufgebaut und beschreibt den Aufstieg des Fußballs in Italien in den 20er Jahren, Zu der Zeit stellte der Calcio für die Regierung eine Möglichkeit dar, den angeblichen Erfolg des faschistischen Systems zu präsentieren. Anschließend folgte eine Periode der Industrialisierung des Fußballs, repräsentiert durch den Fiat-Chef Gianni Agnelli und seinerseits Besitzer des Clubs Juventus Turin. Agnelli führte somit nicht nur im Land, sondern auch im Mikrokosmos Fußball den Massenkonsum ein. Des Weiteren beschreibt Schöne die Rolle Berlusconis, dem mächtigsten Mann des Landes und ehemaligen Besitzer des AC Mailands, der die Instrumentalisierung des italienischen Calcios für seine politischen Zwecke perfektionierte. Nicht umsonst gründete er die Partei „Forza Italia“ nach einem Schlachtruf der Tifosi und gab ihr die Farbe der Azzuri. Na klingelt’s? Es sind die Farben der italienischen Nationalmannschaft.
Insgesamt gelingt es Birgit Schönau die tiefen Verflechtungen von Fußball, Medien und Politik zu beschreiben und zu erklären. Insbesondere die immer wieder eingeschobenen Anekdoten aus dem italienischen Fußball und die angeführten amüsanten Geschichten gestalten das Lesen kurzweilig und abwechslungsreich. So sind verschiedene Kapitel von den Tifosi vergötterten Spielern oder Vereinen gewidmet und überzeugen ebenso mit viel Hintergrundwissen.
Für den geneigten Ultra dürfte selbstverständlich das Kapitel, welches sich dem Tifo widmet ein intensiveres Lesen zur Folge haben.
Bereits das Cover bildet die Curva Sud vom AC Milan ab. Birgit Schönau beschreibt die starke Politisierung der italienischen Kurven seit den 70er Jahren. Hierbei bezieht sie sich hauptsächlich auf die beiden römer Rivalen AS und Lazio.
Sie stellt das Commando Ultra Curva Sud von 1977 als linke Szene vor, welche mit schönen Choreos glänzte, sich jedoch 1999 auflöste. Außerdem präsentiert sie die Irriducibili als rechte Gruppe der Laziali und insbesondere deren Capo Fabrizio Toffolo.
Allerdings bezieht sich die Vorstellung der Tifosi des Calcio in Italien hauptsächlich auf die Problematik der Gewalt und der politischen Ausrichtungen. Ansonsten wird noch die große Bedeutung von Spruchbändern in den italienischen Kurven beleuchtet.
Lediglich angedeutet wird das Thema „Repressionen und Verbote“, denen die Gruppen ausgesetzt sind und dazu führten, dass sich große Gruppen wie die Brigate Giallublu 71 Verona oder die Brigate Autonome Livornesi auflösen mussten.
So berichtet Lazio-Capo Toffolo, dass sein Stadionverbot willkürlich verteilt wurde und er sich als politisch Verfolgter fühle. Sicherlich wäre ein ausführlicher Bericht über Repression oder eine tiefergehende Vorstellung der Ultras und ihrer Ziele hier sinnvoll gewesen. Ebenfalls nur angerissen wird das Thema, dass der Fußball mittlerweile zum Spielzeug der Mächtigen geworden ist mit der Problematik, dass zum Beispiel Anstoßzeiten von ihnen bestimmt werden.
Insgesamt wird die Gewalt in den Kurven als Grund für abnehmende Zuschauerzahlen gesehen und vergisst dabei völlig die schlechte Bedingungen und besonderen Umstände der italienischen Kurven. Natürlich ist auch Gewalt ein Problem, welches nicht unter den Tisch zu kehren ist, jedoch fehlt hier auch die andere Seite der Medaille. Reiseverbote für Gästefans, personalisierte Tickets und eingeschränkte Freiheiten bestimmen nämlich in gleichem Maße das Bild der Geschehnisse. Auch wäre es möglich gewesen, auf die lange Tradition der Ausschreitungen einzugehen und diese zu erklären. Als Fazit dieses Kapitels muss man konstatieren, dass die Darstellung äußerst dürftig ausfällt und lediglich einzelne Facetten aufzeigt.
Das Buch bietet die Möglichkeit, Grundwissen zu vermitteln, wenn man sich für die Verstrickungen zwischen Politik, Fußball unternehmerischen Interessen und Machtkämpfen interessiert. Außerdem beschreibt das Buch anschaulich wie Fußballspiele bestimmte Ereignisse in Italien beeinflussen. Lediglich das Kapitel über den Tifo kann nicht so recht überzeugen und hätte sicherlich ausführlicher gestaltet werden können.
Dennoch erhält das Buch, trotz vereinzelter Kritik, das Prädikat „Kaufempfehlung“ – schließlich ist es nie verkehrt, sich mal von der Glotze wegzubewegen um seine Grauen Zellen mal mit etwas Niveau zu überraschen.
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