Es gibt diese Länder, die standen nie auch nur auf der erweiterten Todo Liste und plötzlich fällt man dort ausm Flieger. In diesem Fall lag es am unfassbar günstigen Sale bei Turkish Airlines, die den regulären Preis für den Tripp mit Stopover in Istanbul kurzfristig auf etwa ein Fünftel herabsetzten. Sommer, Sonne, Strand und Fußball mitten im November – wer kann da dann schon noch „nein“ sagen? Ich zumindest nicht.
Normal fliege ich nicht nur für gut vier Tage in ein neues Land, das ist mir zuviel Hetze und wird in der Regel dem Land auch nicht gerecht. Kuwait ist da ein wenig anders, denn das ganze Emirat besteht eigentlich nur aus der Hauptstadt Kuwait City mit seinen ca 2,4 Millionen Einwohnern. Im ganzen Rest, der hauptsächlich aus der Wüste ad-Dibdiba besteht, verlieren sich dann noch knapp 500.000. Mit der Hauptstadt hat man also quasi einen Großteil des Landes gesehen und da auch die Metropole herrlich unaufgeregt und mit nicht gerade unfassbar vielen Höhepunkten gesegnet ist, blieb auch das schlechte Gewissen bei mir diesmal aus. Besonders bekannt ist Kuwait eigentlich nur für seine Ölexporte, weshalb es dem Land finanziell durchaus gut geht (zumindest den Einheimischen, den Gastarbeitern aus Indien, Pakistan oder Bangladesh dann eher weniger) aber auch für den Irakkrieg unter George W. Senior. Die Irakis marschierten ein, nach gut fünf Wochen befreiten die Amerikaner dann „ihr“ Öl wieder. Industrie, Infrastruktur und andere Lebenswichtige Dinge waren bis dahin aber schon weitgehend zerstört. Aber was heißt hier „total vermient“? Habter jedenfalls schon mal Bodenschätze…
Vom Krieg ist heute wenig geblieben, der Großteil der Stadt sieht aus wie frisch aus dem Boden gezogen, nagelneue Wolkenkratzer und viel zu breite Autobahnen prägen das Bild. Nur in den Vororten, welche wir mit dem Flughafenbus auf dem Weg in die Stadt passieren lässt sich erahnen, dass der Wohlstand auch hier nicht alle getroffen hat.
Ansonsten lässt sich natürlich schnell sehen, dass man hier Benzin-Selbstversorger ist. Etwa 15 Cent kostet der Liter an der Zapfsäule, dementsprechend „spritsparend“ sind dann auch die meisten Fuhrwerke derer, die es sich leisten können – die ärmeren (und wir) fahren dann doch gezwungenermaßen mit dem recht gut funktionierenden Busnetz. Weniger gut funktioniert der Fußballverband. Viele Nachfragen, viel rumgefahre ist nötig, um das Stadion rauszufinden, in dem gespielt werden soll. Die meisten Einheimischen gucken nur total entgeistert, wenn man nach dem anstehenden Qualifikationsländerspiel zum Asia Cup 2015 in Australien fragt. Lustigerweise bedeutet nichtmal das Tragen von Fußballschuhen, dass man einen Schimmer von der Existenz der Partie hat.
„I know this Area but i’ve never heard of a stadium there” erzählt dann auch der Taxifahrer, nachdem er einen Stadtplan unter die Nase gehalten bekommen hat. Pflegeleicht (dh günstig) aber dumm wie n Eimer Melkfett ist die Taxifahrerbande hier, Stadtpläne lesen kann keiner. Als großer Theaterfreund weiß ich natürlich: Hetzen lassen sich nur die Nebendarsteller und so kommen wir dann auch irgendwann und rechtzeitig vor den Toren an. Ein schönes Stadion, Kapazität von 12.000 Zuschauern mit einer nur spärlich überdachten Haupttribüne in deren Mitte normale Stühle stehen, eine Laufbahn und überall alte Sitzschalen. Der Ground könnte auch irgendwo unterklassig in Italien stehen, wenn die beiden großen Poster von irgendwelchen Würdenträgern des Staates auf der Gegengeraden nicht wären. Leider lässt sich rund ums Stadion keine Verkaufsbude für Tickets auftun – also VIP, VIP – Hurra! Reichlich 2 ½ Stunden vor Anpfiff im Stadion, ein bisschen abschreckend wirken die Cops, welche statt Gummiknüppeln Maschinenpistolen tragen aber ansonsten wirkt alles äußerst relaxed, dazu Kurzehosewetter auch als es dunkel wird – das Wochenende ist somit jetzt schon besser als wenn ich zuhause geblieben wäre. Wie es sich für ein Muslimisches Land gehört ruft der Muezzin noch vor Spielbeginn aber die Anzahl derer, die sich wirklich gen Mekka verbeugen ist dann doch verschwindend gering, auch wenn es in der Haupttribüne extra Gebetsräume für diesen Fall gibt. Amüsant anzusehen nur die Polizisten, welche in Dreierreihe vor einem Krankenwagen hocken und diesen anzubeten scheinen.
Überraschend voll ist es am Ende, wenn man bedenkt, dass kein Kuwaiti von der Austragung zu wissen schien, ich tippe auf gut 9.000 Zuschauer. Besonders begeisternd ist die Anzahl der Gästefans. Sicherlich über 1.500 sind es, am Ende gar soviel, dass der Gästeblock nicht mehr ausreicht und eine Gruppe von der Staatsmacht in den entgegengesetzten Block eskortiert wird. Die Heimseite ist auch ganz in Ordnung, etwa 100, teilweise auch mal 3-400 Leute singen, eingepeitscht von zwei Vorsängern mit Megafonanlage und begleitet von sehr geilen Trommelrhythmen, über 90 Minuten durch – lassen sich auch von dem grauenvollen Bolz nicht abschrecken. Einige Lieder gehen über Minuten, nicht eine einzige Melodie an diesem Abend habe ich schon mal wo gehört und das meiste klingt selbst im ja eher harten Arabisch durchaus melodisch und cool, ich erwische mich wie ich teilweise leise mitpfeife.
Zu 75. Minute dann große Begeisterung im Rund, die heimische Nummer 17 wird eingewechselt und scheint eine Art Heilsbringer zu sein. Erste Situation nach 20 Sekunden und ein Bombeneinstand, der Ball fliegt nur Zentimeter am Kasten der Gäste vorbei. Leider ist der Kollege nach diesem Einsatz scheinbar so ausgepowered, dass er keinen Meter mehr sieht – die Erwartungen seiner Fans torpediert er gnadenlos und das Spiel geht sang und klanglos mit 0:0 aus. Schade, ich hätte durchaus gerne mal einen Torjubel, vor allem im Gästeblock, gesehen.
Das Länderpunktbierchen musste an diesem Abend dann ausfallen. Es ist zwar durchaus möglich Alkohol unter der Ladentheke zu kaufen, die Preise sind dann aber auch dementsprechend. Der Vorteil ist, dass einem auch am Freitag- oder Samstagabend keine fertigen Asis mit mittelschweren Ausfallerscheinungen vor den nur halbvollen Bus rennen – auch mal eine sehr angenehme Erfahrung.
Das Sightseeinpacket am folgenden Samstag fällt auch leider geringer aus als erhofft, manche Sehenswürdigkeiten öffnen nur von Montag bis Donnerstag die Tore, andere schließen Samstags schon um 11 Uhr morgens wieder. So blieb zB. das Nationalmuseum verwehrt, eine Tour zu den Ölfeldern in der Wüste gibt es auch nur von Montag bis Donnerstag zu buchen. Dafür lockten der Persische Golf und einige Souks. Alles ganz schön, hier bricht keine Depression aus aber man darf durchaus sterben ohne in Kuwait gewesen zu sein. Weniger heftig als erwartet ist die Burka-Dichte, vor einigen Monaten in Wien habe ich mehr gesehen als in dieser Stadt, auch Autofahren und andere Normalitäten sind im Gegensatz zu einigen anderen Ländern der Golfregion nicht nur dem männlichen Teil der Bevölkerung vorbehalten. Auch wenn es im Bus extra „Frauensitze“ gibt. Mitten in der Altstadt entdecken wir dann doch noch eine etwas runtergekommenere Ecke, ein paar kaputte Häuserzeilen, die nicht so wirklich ins Stadtbild aus Stahl und Glas passen. Beim fotografieren werde ich auch gleich von einem Einheimischen spöttisch gefragt „Made a nice photo of our palace?“. Englisch spricht hier praktischerweise eigentlich wirklich jeder und wenn auch nur bruchstückhaft, man kommt also leicht weiter. Auch die Arabische Gelassenheit gefällt, viele ältere sitzen (Geschlechtergetrennt) an Tischen, trinken Tee und spielen Karten. Überaus gesegnet seien diejenigen, die sitzen und abwarten.
Am Sonntagmorgen war die Flucht aus der Kälte dann leider viel zu früh zuende, nach den gut 30 Grad fühlte sich selbst Istanbul beim Umstieg schon arg frisch an … der Kälteschock kam dann bei 5 Grad in Düsseldorf bei der Landung. Homer Simpson sagte einst: „Das ist ein guter Planet für Entscheidungen!“ in diesem Fall war es eine gute Entscheidung den Trip gemacht zu haben – auch wenn Kuwait nun alles andere als hochspannend ist, so war diese Reise dennoch eine weitere die ich nicht missen möchte.